Das Open Air Kino Programm zum Kunstfest
Wir freuen uns riesig auf die diesjährige Filmreihe im Studio Mosaik zum Kunstfest 2022!
Vom 1. bis 4. September 2022 möchte STUDIO MOSAIK mit der Filmreihe „Alle Zusammen“ Türen öffnen und zum Nachbarschaftskino einladen – Kino jenseits der eigenen vier Wände – Kino zusammen für eine lebendige Gemeinschaft, für Dialog und wirklichen Austausch. Es geht darum, Pluralität nicht nur zuzulassen, sondern sie real auszuhalten.
Die Filme erzählen vom Miteinander, aber auch von unversöhnlichen Konflikten in unserer Mitte. Es sind Geschichten über Menschen, die in unterschiedlichen Lebensrealitäten direkt Tür an Tür leben.
Geschichten von Heimat oder Entwurzelung und von Nachbarn, die plötzlich zu Feinden werden.
Und wir zeigen Dokumentarfilme, die eine Nachbarscha der Zukunft aufzeigen und Menschen
portraitieren, die Utopien des Zusammenlebens real wagen – selbstgestaltet und voller Ideale, doch
zugleich mit handfesten gelebten Konflikten. Allesamt Filme, die zum Nachdenken anregen und zu
Gesprächen mit den geladenen Regisseuren und Regisseurinnen einladen.
Lasst uns ALLE ZUSAMMEN Kino schauen und gemeinsam die Nachbarschaft feiern.
1. 9. 2022 – Filmvorführung um 20.00 Uhr, Einlass 19.30 Uhr
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NEBENAN
Spielfilm / Drama, 92 min.
Deutschland 2021
Regie: Daniel Brühl
Drehbuch: Daniel Kehlmann
Mit Daniel Brühl, Aenne Schwarz, Peter Kurth, Rike Eckermann
Filmstar Daniel, gespielt von Daniel Brühl, führt o enbar ein perfektes Leben: Er hat Erfolg, Geld und eine traumha e Wohnung in Berlin-Prenzlauer
Berg. Dort lebt er mit seiner Frau, den beiden Söhnen und dem Kindermädchen. Auch der Durchbruch in Hollywood scheint nicht mehr fern: Daniel
soll in London für einen amerikanischen Superheldenfilm vorsprechen. Auf dem Weg zum Flughafen macht er in seiner Stammkneipe Halt. Dort
will er in Ruhe seine Dialoge durchgehen. Allerdings hat er nicht mit Bruno (Peter Kurth) gerechnet. Der fremde Mann kennt nicht nur alle Filme
des Schauspielers, sondern kennt sich auch erschreckend gut in Daniels Privatleben aus. Zwischen den ungleichen Männern, entwickelt sich ein
ironisch bis zynisches Wortduell. Mit jeder Minute dieses seltsamen Gesprächs wächst Daniels Verwunderung über den fremden Nachbarn – und
seine Angst …
In „Nebenan“ führt Daniel Brühl erstmal selbst bei einem Film Regie und nimmt sich in seiner Rolle als Schauspieler aus der schönen, neuen Erfolgs-
welt selbstironisch auf die Schippe. Kongeniales Gegenüber ist Peter Kurth als namenloser, in die Jahre gekommener Bruno aus Ostdeutschland,
der sich vom Leben abgehängt fühlt und nach Rache sinnt. Ein subtiles, abgründig-humoristisches Kammerspiel zwischen Ossi und Wessi über Gentrifizierung, soziale Ungerechtigkeit und so manche Lebenslüge.
2. 9. 2022 – Filmvorführung um 20.00 Uhr, Einlass 19.30 Uhr
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NACHBARN
Spielfilm / Drama, 124 min.
Schweiz, Frankreich 2021
Buch & Regie: Mano Khalil
Mit Serhed Khalil, Jalal Altawil, Jay Abdo, Tuna Dwek, Zîrek
Wenn Nachbarschaft zerstört wird: In einem syrisch-türkischen Grenzdorf in den frühen 1980er-Jahren erlebt der Kurdenjunge Sero wie seine
kleine Welt durch die Kriegstreiber zerrüttet wird. Dabei fängt für Sero gerade eine neue Zeit an. Der sechsjährige Junge erlebt sein erstes Schul-
jahr. Er spielt freche Streiche mit seinen Freunden, träumt von einem Fernseher, damit er endlich Cartoons schauen kann und muss gleichzeitig
erleben, wie die Erwachsenen um ihn herum immer mehr von nationalistischer Willkür und Gewalt erdrückt werden. Und die Repressalien machen
auch vor den kurdischen Kindern nicht Halt, sondern beabsichtigen aus ihnen stramme panarabische Genossen zu machen. Mit dem Schlagstock verbietet der Lehrer die kurdische Sprache, befiehlt die Verehrung Assads und predigt Hass auf die Juden, die „zionistischen Erzfeinde“. Der Unter-
richt verwirrt Sero, denn seine langjährigen Nachbarn sind eine liebenswerte jüdische Familie. Doch mit der Errichtung des Grenzzauns
zwischen der Türkei und Syrien und dem Aufkommen absurder nationalistischer Ideen des an die Macht geputschten Regimes von Hafiz al-Assad, ziehen sich auch unsichtbare Grenzen durch die Nachbarschaft, die das friedliche Zusammenleben zwischen Juden, Kurden und Arabern zu-
nehmend zerstören.
Einfühlsam und mit feinem Gespür für Humor und Satire zeichnet der heute in der Schweiz lebende, syrisch-kurdische Regisseur Mano Khalil das
Bild einer Kindheit, die unter den Indoktrinationen der Assad-Diktatur auch leichte Momente findet. Der Film ist geprägt von seinen persönlichen Kindheitserlebnissen und spannt die berührende Erzählung von den Anfängen des Konfliktes bis in die syrische Tragödie der Gegenwart.
3. 9. 2022 – Filmvorführung um 20.00 Uhr, Einlass 19.30 Uhr
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WIR ALLE. DAS DORF.
Dokumentarfilm, 89 min.
Deutschland 2021
Regie: Antonia Traulsen und Claire Roggan
Es ist die Utopie einer Nachbarscha von morgen: Mitten im Wendland – einem der strukturschwächsten Gebiete Deutschlands – gründen
Menschen ein Dorf. Ein Modelldorf für die Zukunft Europas soll es werden für hundert Alte, hundert Geflüchtete und hundert junge Menschen.
Dieses riesige Sozialexperiment ist schon jetzt ein gesellschaftlicher Mikrokosmos. Wie unter einem Brennglas werden intensiv Themen disku-
tiert und Lösungen für Probleme gesucht, die uns alle betreffen: die Integration geflüchteter Menschen, eine alternde Gesellschaft, soziale
Isolation und die Schwierigkeiten von Behinderten, Alten oder alleinerziehenden Menschen und die Perspektivlosigkeit junger Menschen in der
Provinz. Es ist ein Mammutprojekt, ein bürokratischer Hindernisparcours, ein idealisiertes Utopia – getragen und ersponnen von ganz beson-
deren Protagonist*innen. Das Dorf kann ein Prototyp für europäisches Leben auf dem Land werden, es kann aber auch als ökologische Senioren-Siedlung enden. Alles ist möglich.
Die Filmemacherinnen Antonia Traulsen und Claire Roggan stellen sich mit ihrer Langzeit-Dokumentation dem drängenden Thema unserer
Gegenwart und fragen, wie wir in einer Gesellschaft, die sich mit zunehmender Überalterung, Zuwanderung und Landflucht konfrontiert sieht, in
Zukunft zusammenleben wollen. Sind die ambitionierten Ideen von Gerechtigkeit und Solidarität auch im täglichen Miteinander im „ Modelldorf“
lebbar? Nachbarschaft „in progress“…
4. 9. 2022 – Filmvorführung um 20.00 Uhr, Einlass 19.30 Uhr
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DIE ZÄHMUNG DER BÄUME
Dokumentarfilm, 92 min.
Schweiz, Deutschland, Georgien 2021
Regie: Salomé Jashi
Es ist eine bizarre Migrationsgeschichte. Jahrhunderte alte Bäume reisen über Land und Wasser, um in einem Privatgarten neu eingepflanzt zu
werden. Auftraggeber ist der wohl reichste Mann Georgiens, der ehemalige Premierminister des Landes, welcher bis zu 15 Stockwerke hohe
Bäume entlang der georgischen Küste aufkauft, um sie in seinem privaten Garten zu verpflanzen. Für den aufwendigen Transport werden andere
Bäume gefällt, Stromkabel verlegt und neue Straßen durch Mandarinenplantagen gepflastert. Zurück bleiben verwirrte Gemeinschaften, die über Generationen im Schatten der Bäume lebten. Der Preis für ihre Bäume – hohe Entschädigungssummen und eine versprochene Verbesserung der Infrastruktur – spaltete so manches Dorf.
Die georgische Regisseurin Salomé Jashi hat die Umsiedelung mit ihrem Team zwei Jahre lang begleitet und ein bildstarkes Dokument geschaffen.
In majestätischen, poetischen Bildern zeigt der Film, dass die Unterwerfung der Natur eine existenzielle Lücke in unser Leben reißt. Der Erhabenheit
der Bäume stellt Salomé Jashi die Leere eines Alltags gegenüber, in dem Gier und Gewinn mehr zählen als tief empfundene Gemeinschaft. Dabei
wird der metaphorische Begriff der „Entwurzelung“ in eine bedrückende, greifbare und doch surreal anmutende Realität gerückt. Eine filmische Ode
an die Rivalität zwischen Mensch und Natur, zwischen Heimat und Entwurzelung. Zugleich eine eindrückliche Parabel auf das fragile Konstrukt Demokratie.